Freitag, 18. Juni 2021

Nr. 34 vom 17.6.1971 oder Hinter der Drehscheibe die Gedächtniskirche

 

So, und hier ist die aktuelle Top 20 auf Youtube! 

1971 und 1972 sind die beiden T.Rex-Jahre. Die Geburtsstunde des Glam Rock. Bandgründer Marc Bolan hatte zunächst die verpeilte Vorgänger-Combo Tyrannosaurus Rex gegründet und schließlich im Lauf des Jahres 1970 auf T. Rex gestrafft. Dort machten sie den merkwürdigen, rifforientierten, aber flachen Transistorradiosound der Gruppe nicht nur berühmt, sondern überberühmt - das Jahr der Bolanmania. 

Man sieht auch recht schnell, woran das eigentlich liegt: Bolan sah besser aus als die anderen zotteligen Hippies jener Zeit und konnte sich ausgezeichnet bewegen und posen. Den Perkussionisten Mickey Finn hatte er hauptsächlich eingestellt, weil der auch gut aussah und eine schicke Triumph 650 fuhr. Überzeugende Gründe. Faszinierend an den Bolan-Aufnahmen ist ja nicht nur, dass er gut aussah, sondern dass er auch gut aussehen wollte. Schaltet mal in eine Beat-Club- oder DISCO-Sendung hinein, es ist wirklich verblüffend, was für eine Rampensau dieser Marc Bolan gewesen ist. Das Revival von T.Rex (das ich schlampig einmal auf die Jahrtausendwende einschätze) dürfte einfach aus diesen Gut-Ausseh-Gründen stattgefunden haben. 

T. Rex beherrschten 1971 und 1972 die Welt, mit rund 10 Top10-Singles. Und dann ist es Anfang 1973 einfach vorbei, als hätte man eine Kerze ausgeblasen. Nicht, dass Glam vorbei war: die Konsorten von Slade und Sweet schafften es noch mehr als ein Jahr länger.

Marc Bolan mußte allerdings noch 3 Jahre seines Niedergangs mitansehen, bevor er dann bei einem Autoanfall starb (nicht mal mit 27, sondern mit 29). Übrigens lebt kein einziges der Bandmitglieder mehr. Einer starb, als er sich an einer Cocktailkirsche verschluckte. Das ist ja fast ein T-Rex-Fluch. Die Beatles haben immerhin noch 50% lebend durchgebracht! 

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Kommen wir zu einem anderen lässigen Star jener Tage, allerdings auf eher regional-übersichtlichem Niveau: Ricky Shayne mit Ginny Komm Näher auf der 15. Hier gibt es einen der tollen Drehscheiben- Filmchen, den die Drehscheiben-Redaktion offenbar aus Langeweile zu einzelnen Musikstücken gedreht hat, es sei denn, das Musikstück war von Reinhard Mey, weil der immer im Studio war.

Das Filmchen ist vor dem Europa-Center in Berlin gedreht worden. Ricky Shayne gibt sich nicht einmal groß Mühe, Singen vorzutäuschen, sondern er unterschreibt lieber Autogrammkarten und hat sein Hemd ziemlich weit offen. George Albert Tabett (so heißt er merkwürdigersweise) war immerhin schon einige Jahre lang kleinbekannt, um mit Ginny komm näher mittelbekannt zu werden. Damit war die Reise allerdings noch nicht zuende, denn später im Jahr wurde er in Deutschland sogar großbekannt. Mamy Blue wird uns später in diesem Jahr noch ereilen. Es ist eines meiner wichtigsten Kindheitsohrwürmer. Man kann ja als Kind nicht viel dafür, was man als Ohrwurm angeboten bekommt, und für mich war es eben Oh Mamy, oh Mamy Mamy Blue. 

Wobei ich nicht sicher bin, ob es die englische Coverversion von Pop Tops gewesen ist, oder das deutsche Cover von Ricky Shayne. Wir werden diese Frage auf d en Oktober verschieben! Zurück zu Herrn Tabett. Er durfte in einem Film mit Rudi Carrell und Ilja Richter mitspielen, unter dem Rollennamen Ricci Sporetti (!). Nach Mamy Blue begann sein Weg sich wieder nach unten fortzusetzen, zuerst mit mittelgroßen Hits, dann mit Kleinhits. Hier ein bemerkenswerter Clip aus der Hitparade, von 1975, mit Umhang und Pali-Tuch, und er sieht schon ein bißchen fertig aus, so wie Elvis auf den letzten Metern. Und das Lied "Abschied" (sic!) interpretiert er, als müsse er gerade Drillinge gebären. Bemerkenswert!

Erst 2019 hat ein gewisser Stephan Geene eine sechsteilige Serie für die Berlinale über Ricky Shayne gemacht. Leider ist nur eine Folge im Netz verfügbar; und ja, das ist Ricky Shayne heute, eine wahrhaftige Verwandlung, mein lieber Scholli. 



drehscheibe. Quelle: ZDF, wikipedia

Nochmal zur Drehscheibe. Die Drehscheibe lief immer. Zweites Programm, von zwanzig vor sechs bis zwanzig nach sechs. Man guckte Drehscheibe nur, wenn auf dem Ersten es noch langweiliger war (was gut möglich war). In der Drehscheibe gab es nicht nur Unterhaltung, sondern auch Berichte. Über dies oder das. Eine neuer Kanal. Einweihung einer Düngemittelfabrik. Ein Autotest. Ich glaube fast, alles Öde und Langweilige, das die fleißigen ZDF-Reporter produzierten, wurde in der Drehscheibe abgeladen. Und natürlich Fernsehkoch Max Inzinger, der ebenso langweilige Sachen kochte (Rhabarber-Zwiebel-Kompott). 


Bis zum nächsten Mal!