Freitag, 13. August 2021

Nr. 38 vom 12.8.1971 oder Meilenweit To Hell




NATÜRLICH wieder Butterfly auf der 1. Es haben sich jetzt verschiedene Herausforderer gezeigt, die aber allesamt an der 1 scheitern. 1971 ist wirklich ein krasses Butterfly-Jahr. Die Elenden (ich sage keinen Namen!) sind schon wieder mit einem Neuzugang dabei. Ebenfalls die Neue von T:Rex und Roy Black & Anita (DARÜBER wird ausführlich zu sprechen sein!) Hier jedenfalls der Link zur Youtube-Playlist. 

Ihr müßt eines zugeben: den guten, armen Ulli Martin haben wir in der letzten Ausgabe milde und großzügig behandelt. Seine 25-Knöpfe-Jacke staunend erwähnt, aber auch nicht gedisst. Jetzt sind wir beim unbedingt nicht zu verwechselnden Martin Mann angekommen. Eigentlich haben wir uns ja für diesen Blog vorgenommen, nur Liebe und Frohsinn über die Menschen zu streuen, vor allem kein böses Wort über die Interpreten zu verlieren: Singen und Singen lassen - das soll unser Motto sein, das wir höchstens in Notwehr einmal zurückstellen (e.g. Creedence Clearwater Revival). Aber heute -  der Martin Mann nee Mario Löprich wird es uns nicht leicht machen!

Hier der Clip zuerst einmal Meilenweit aus der ZDF-Hitparade, der etwas Besonderes ist: es handelt sich um einen nachbearbeiteten Super8-Stummfilm, den ein gewisser Werner Schmitz aus Solingen mit Genehmigung der Sendeleitung während der Aufzeichnung der Hitparade filmte. Das sieht dann aber so aus, als wäre Mr. Zapruder vom Grashügel in Dallas zum Studio 1 der Berliner Union-Film aus dem November 1963 zeitgereist. 

Da das ZDF selbst alle Aufzeichnungen der Folgen 2 bis 25 gelöscht hat (ich glaube mich zu erinnern: sie brauchten die Bänder, so wie wir früher unsere Cassetten palimpsestiert haben)  ist der Schmitz-Film das einzige erhaltene Filmdokument der Sendung und wurde aufwendig nachvertont und zwischenvertitelt. Zwar kriecht hier niemand zum Aufsammeln von Gehirnstücken über die Kofferraumhaube, aber man muß mitansehen, was der Martin Mann für eine Rampensau und was für ein übler Und-jetzt-alle-Animator ist.

In wesentlich besserer Qualität haben wir das Nachfolgelied von Meilenweit in der Hitparade, und es ist ein universelles Desaster: Lieddesaster, Singdesaster, Mitsingdesaster, Modedesaster, Desasterdesaster: "Heut ist mir alles egal". Geschrieben haben diese Lied übrigens Michael Holm und Ralph Siegel. Bekanntlich ist in der Hitparade ja nur die Instrumentalspur vom Band, der Gesang kommt vom Künstler. Wir halten fest, dass Martin Mann nicht so ganz hinbekommt mit dem Singen, und auch unangenehm ADHS-mäßig herumhampelt.

Irgendwie erinnert er mich von der Musik und Gestus an Tony Marshall und Rex Gildo, aber die sind eher der Weintrinker auf der Fiesta und Martin Mann wohl mehr der Biersäufer auf der Ultra-Stehtribüne. Der nächste Streich aus dem Juni 1972 "Die Brücke von San Francisco".

Hey, ist das nicht fürchterlich? Schnipp, schnipp, schnipp, stampf, stampf, stampf. Er trägt eine Gürtelschnalle, bei der jeder WBO-Boxchampion vor Neid erblassen würde. Und in 00:35 seht ihr eine Eigenart, die er auch in anderen Hitparaden-Auftritten hatte: er hängt sich das Mikro kurz um den Hals (ja, das hatte ein Kabel, liebe Gegenwärtige), um das Publikum zur Ekstase zu klatschen. Und jetzt alle! Klatsch klatsch klatsch! Seien wir froh, dass Princess Diana damals mit Elton John befreundet war, und nicht mit Michael Mann.

Hier, noch einen: Heut wolln wir leben, wo er es fertigbringt, das fast woodstockartige Original von Albert Hammond (hier in der DISCO-Sendung) https://www.youtube.com/watch?v=U6-IDU1MgFM zu verhunzen. Zumal Down By The River eines der allerersten Lieder war, das Umweltzerstörung zum Thema hat: "the banks will soon be black and dead, and where the otter raised his head, will be a clean white skull instead, down by the river"

Martin Mann beginnt mit:

Die Stadt ist laut und vom Gas verbraucht,
Die Straßen schwarz, die Häuser grau.
Pack die Sachen, wir fahr'n hinaus,
Heut' wolln' wir leben.

Oh, denkt man, vielleicht doch ein ökologischer Funken beim Gutelaune-Martin? Nö. Die dritte Strophe:

Wir tanzen beide im Sternenlicht,
Das Lied verklingt, die Flamme bricht,
Ein Blick von dir, der mir verspricht,
Heut' woll'n wir leben.

Mein Gott, ist das bescheuert. Als würde man die Internationale umdichten zu "Sauft mit, ihr Kumpels an der Strandbar, damit wir wieder hacke sind" o.s.ä.. Fürchterlich. Im Hitparaden-Clip schaltet übrigens der Kameramann um 2:00 herum fasziniert auf die Kroko-Stiefel, mit denen Martin Mann in einer Mischung aus Sirtaki und Preußischem Grenadiermarsch auf der Hitparaden-Hochbühne herumstampft. Und ja, er trägt in ALLEN vorgestellten Clips so hochhackige Stiefel, dass wir vermuten müssen: es sind Kompensations-Absätze. Wir wissen nichts über die Körpergröße von Martin Mann. Meilenweit bist du DAMIT nicht gegangen.

So, ein Jahr später nähern wir uns der mittleren Schaffensperiode von Martin Mann:

Rab dab da dab heißt das Lied.  Oh, der Fritz-Honka-Schnurrbart ist weg! Und meint ihr nicht auch, dass der Künstler plötzlich etwas zurückgenommener, introvertierter ist? Naja, jedenfalls bist 2:14, als er eine unschuldige Zuschauerin zum Tanzen nötigt, die Ärmste, wir Ärmste.

Und noch etwas später: Oh! Ist das unser Martin Mann? Ja! Er hat sich so ein bißchen in Richtung Jürgen Marcus gedreht. Er singt "Bind ein blaues Band um unseren Birkenbaum" zu "Tie a yellow ribbon around the old oak tree". Niemand - außer Michael Holm, der hat es so übersetzt - weiß allerdings, warum das Band nun blau statt gelb ist, und warum aus der Eiche jetzt eine Birke geworden ist. Martin Manns Absätze sind allerdings noch immer gigantisch. Der Wolf im Birkenpelz.

Dann war einige Zeit Ruhe um unseren Helden. Wir finden diesen Clip aus dem Jahr 1977, aus DISCO: "Weil sie noch nicht mal 16 war" Nicht nur die Musik, sondern auch der Text dieses Lieds ist von ausgemachter Widerlichkeit. Achtet mal im Video auf 00:49 - bei der Zeile "Sie hat ihn jede Nacht gesehen" ("Sehen" im Sinne des biblischen Erkennens) nickt er jemandem im Publikum zu, leckt sich die Lippen und grinst. Boah, wie ekelhaft. Er kommt einem so vor, als würde er einen BMW 2002 fahren, einen Dobermann halten und schon zweimal bei Derrick mitgespielt haben.

Martin Mann, Quelle: Jupiter Records/Discogs

Es ging wieder aufwärts mit Herrn Mann. 1978 der nächste Knaller: StrohblumenDie Gitarre hatte er ja schon beim 16-Clip dabei, und sie hilft ihm bei der Hyperaktivität. Und ich denke, das kommt euch doch bekannt vor, nicht nur wegen des Originals von John Campbell. Genau, so ist es. Im Jahr zuvor: Jürgen Drews mit dem Bett im Kornfeld.

Ich hätte mir niemals vorstellen können, einmal folgenden Satz zu schreiben, ja schreiben zu müssen, und hier ist er: Jürgen Drews ist ungekünstelter und origineller, und seine Attitüde ist sympathischer. Himmel! Und hier im selben Jahr "Es riecht nach Sonne" ranzt er sich noch unverblümter an das Werk von Jürgen Drews heran.

Ich meine - Jürgen Drews nachzumachen, das ist doch ein bißchen so, als würde man den Delicato Fleischsalat von Aldi versuchen zu fälschen, oder River Cola faken. So weit es sich recherchieren ließ, konzentrierte sich Mann dann ab den 80ern auf die Arbeit als Komponist und Produzent (d.h., ihm blieb nichts anderes übrig wahrscheinlich). Im Jahr 2018 streckt er wieder seinen Kopf hervor, mit dem Titel "Meilenweit nach Mendocino"

Schaut es euch an. Es ist entsetzlich. Es ist schlimmer als alle anderen Lieder zusammen. Eigentlich ein Fall für das Kriegswaffenkontrollgesetz. Genug!


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