Wie stets, hier die Hitparade auf Youtube.
Das hatten wir
auch noch nicht, dass die ersten vier Plätze komplett festgenagelt sind: zuerst
unser Sommersinger Mungo Jerry, dann das unsägliche Condor Pasa, dann Yellow
River (wir werden auch kein Freund davon) und dann Freude schöner Riosfunken.
Erst dann schleicht sich die Free klammheimlich in die Top 5. Die
Condor-Pasa-Pest ist insofern noch schlimmer geworden, als dass NOCH EINE
VERSION eingestiegen ist, und zwar gleich auf Platz 9. Das Beängstigende ist
auch, dass es sich hier um eine Flöten- (allerdings nicht: Panflöten-) Version
handelt. Es gibt auch mehrere Coverversionen, die meistens von Michael Holm
übersetzt wurden („Der Condor fliegt“). Hier eine Fernsehaufzeichnung von 2011, wo Herr Holm den Condor vor einigen Senioren
gibt. Die Tititacasee-Mäßigkeit des Bodensees ist allerdings eher gering, und
der Condor wird von einigen Möwen gecovert. Wir haben Michael Holm ja für
Mendocino angebetet, aber muss das jetzt sein? Das wäre, als würden die Beatles
zur Eröffnung von Autohaus Opel Mairhofer in Freilassing spielen. Bitter.
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Ich bin übrigens
beeindruckt, wie hartnäckig Shocking Blue auch die deutsche Hitparade – na,
nicht überfluten, aber sie sind regelmäßig Gast. Übrigens werden sie sogar bis
1972 in Deutschland Hits haben, sowieso natürlich in NL, wo der Railroad Man
sogar Nr. 1 gewesen ist. Wohlgemerkt: gewesen ist, denn zu damaligen Zeiten gab
es noch eine Zeitverzögerung zwischen den Länder-Charts. Als langjähriger
Holland-Urlauber wußte: wenn ich aus den Ferien zurückkam, waren die Lieder,
die in Holland sich schon wie alte Pantoffeln bogen, in Deutschland der neueste
heiße Scheiß. Ich habe das einmal für einige Titel aus unserer aktuellen Top 20
nachvollzogen, und zwar in Bezug auf den Chart Entry in die Top 20:
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UK
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NL
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D
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Shocking Blue/
Railroad Man
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-
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06.06.1970
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15.08.1970
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Mungo Jerry/In The
Summertime
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06.06.1970
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27.06.1970
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15.07.1970
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Christie/Yellow River
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02.05.1970
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06.06.1970
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01.07.1970
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Free/All Right Now
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06.06.1970
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04.07.1970
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15.08.1970
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CCR/Up Around The Bend
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20.06.1970
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16.05.1970
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15.06.1970
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Mr. Bloe/Groovin' With
Mr. Bloe
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09.05.1970
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04.07.1970
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01.08.1970
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Cecilia/Simon & Garfunkel
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09.05.1970
|
01.05.1970
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Und siehe da:
tatsächlich gibt es eine Verzögerung zwischen D und NL, und auch zwischen NL
und UK. Idealtypisch sieht man das an Yellow River von Christie: Anfang Mai in
die englischen Charts, Anfang Juni zu den Holländern und Anfang Juli dann zu
uns nach Deutschland.
Es liegt aus
Vermarktungsgründen eine gewisse Logik darin, die Hits mit einem Kometenschweif
über den Himmel ziehen zu lassen: so war es dann eher möglich, Auftritte in
Fernsehsendungen etc.
Interessant ist
es, dass es von Westen nach Osten geht: zuerst in England, dann Holland, dann
Deutschland. Das wäre natürlich super, wenn die West-Ost-Gezeitenwelle der
Superhits dann in Ostsibirien so langsam ausläuft, dass man etwa in Meynypilgyno,
das ist das ländliche Ostsibirien, NOCH NIE El Condor Pasa gehört hat.
Überhaupt
kochten lokale Plattengesellschaften auch ihr eigenes Süppchen; als Beispiel
hier einmal die drei Länderausgaben der Singles von Yellow River. Warum? Weil
sie es konnten. Und immerhin ist hier sogar die B-Seite jeweils gleich, was
keinesfalls immer der Fall war. Die Plattenfirmen haben sich ja sogar
länderbezogen an den LPs vergriffen, wie der berühmteste Fall der Beatles bei
Capitol/USA und EMI/Europa zeigt: bis 1967 (und das ist drei Jahre her!) hatten
alle Beatles-LPs in USA und UK eine andere Tracklist oder sogar andere Namen.
Wir haben uns
extrem an die Gleichzeitigkeit gewöhnt und halten sie für eine Gleichzeitigkeit
der Ereignisse, obwohl es eigentlich eine Gleichzeitigkeit der Medien ist. Bis
zur Verlegung des ersten Transatlantikkabels 1866 konnte ein Ereignis, das
heute in Amerika stattfand, frühestens in einer Woche in England sein, es sei
denn, der Krakatau fliegt in die Luft, was so laut, dass es ein Drittel der Weltbevölkerung
hören konnte. Aber da es noch kein Radio gab, war man wiederum auf Zeitungen
angewiesen. Man lese beispielsweise einmal die Berichte von der ersten
Fußball-WM 1930, die Wochen später in Europa eintrudelten. Bis 1956 (also 14
Jahre vor dieser Hitparade!) wurden Telefongespräche über Langwellen-Funksender
zwischen USA und Europa ausgetauscht, und zwar zuletzt 2.000 pro Jahr. Über
Whatsapp werden aktuell 60 Milliarden Nachrichten verschickt, und zwar pro Tag.
Das Schöne war,
dass man in gewisser Hinsicht Zeitreisen unternehmen konnte. Ich weiß noch, wie ich aus dem Osterurlaub 1981 mit
der neuen Fischer Z mit Red Skies Over Paradise gekommen bin. Das kannte bei
uns niemand. Marliese, Berlin, Cruise Missiles, das war toll, das war ein
bißchen Reggae, Punk und Politik. Ich war ein Musik-Orakel im Freundeskreis.
Der Effekt hielt ungefähr zwei Wochen an, und da ich nichts neues Neues
nachliefern konnte, war ich dann wieder der übliche Langweiler, der ich vorher
auch gewesen war. Ja, so war das im theatre of memories („Berlin“). Aber
vielleicht sollte ich mal nach Meynypilgyno. Da kennen sie Fischer Z garantiert
noch nicht.
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Neu auch die
Hotlegs mit dem doofen Titel „Neanderthal Man“. Aber bitte nicht unterschätzen.
Bei den Hotlegs handelt es sich um die späteren 10cc, auf die wir uns in den
nächsten Jahren noch freuen werden (z.B. auf das unglaubliche „I’m not in
love“). Ich lese mit Erstaunen, dass diese Hotlegs tatsächlich eine LP
herausbrachten, und die ist auch noch ziemlich gut, jedenfalls um Längen besser
als dieses öde Neanderthal Man, hört mal hier.
Rakete der Woche: Lola und Flöten-Condor-Pasa
(jeweils +11)
Veteran der Woche: Du von Peter Maffay mit 10
Wochen
Liebling der Woche: Never Marry A Railroad Man
von unseren Holländern!