Nachdem wir
beim letztenmal völlig undiszipliniert bis zum ollen Furtwängler abgeschweift worden sind, bewegen wir uns
heute doch etwas dichter an unseren Goldenen 20, an Pop und Schlager, hier wie immer auf youtube.
----
----
Überhaupt noch
nicht gewürdigt wurde Barry Ryan mit „Kitsch“ auf der 19. Barry singt kitschig
über Kitsch, was an sich schon seltsam ist. Wenn man sich den Text anschaut,
wird es eher noch mysteriöser:
I saw a queen all dressed in green
but I could see she had no soul
I see the moon shining in June
what we all need is Rock and Roll
Das stimmt ja
alles irgendwie, aber ist auch nun – seltsam. Barry hatte seine Karriere
zusammen mit seinem Zwillingsbruder angefangen (die schmale Abteilung der
Zwillinge in der Popmusik. James Boys, Bros, Kelley und Kim Deal, die
Kaulitz-Brüder). Besonders interessant ist es bei den Ryan-Zwillingen, dass sie
zwar eine wohl einigermaßen ähnliche DNA hatten, aber Paul war im Gemüt deutlich
empfindlicher und konnte den Starrummel (ab ca. 1965) nicht mehr ertragen. So
wurde beschlossen, dass Barry weiter die Rampensau geben sollte und Paul aus dem
Hintergrund musikalisch agieren. Gedacht, beschlossen, gemacht. Das erste Lied,
das Alleine-Paul für Solo-Barry komponierte, war dann ausgerechnet Eloise im
Dezember 1968, ein transgalaktischer Megasuperhit. Auch heute noch wirklich
hörens- und bemerkenswert. Mehr Oper war wirklich nie in der Popmusik.
Die beiden
hatten noch einige respektable Hits, bevor Barry/Pauls Karriere dann
verplätscherte. Auf Bestreben der BRAVO nahm Barry sogar einige
deutschsprachige Lieder auf, unter anderem „Die Zeit macht nur vor dem Teufel
halt“. Das ist zwar erst 1972, aber man muß die Feste feiern, wie sie fallen,
deshalb jetzt schon dieser großartige TV-Ausschnitt. Keine Ahnung, was das für eine Show gewesen ist. Die dort sitzenden
Jugendlichen sind jetzt auch schon Rentner. Das Lied hat bemerkenswerten
Zeilen:
Die Zeit trennt
nicht nur für immer Tanz und Tänzer,
Die Zeit trennt auch jeden Sänger und sein Lied.
Die Zeit trennt auch jeden Sänger und sein Lied.
Ausgedacht hat
sich diese Zeilen eine gewisse Miriam Frances, die Schlager-Checkern bekannt
ist als Textdichterin vor allem für Daliah Lavi (Wer hat mein Lied so
zerstört), und die eigenartigerweise der erste Gast in Rudi Carrells frischerShow Am Laufenden Band im Jahr 1974 war.
Aber zurück zu
Barry Ryan. Er heiratete kurz eine andere Miriam (Miriam binti al-Marhum Sultan Sir Ibrahim), die Tochter von Sultan
Sir Ibrahim Al-Masyhur Ibni Almarhum Sultan Abu Bakar Al-Khalil Ibrahim Shah
aus Malaysia, aber die Ehe ging schief. Paul hingegen zog sich schon in de
Achtzigern zurück, eröffnete einige Friseursalons und starb mit 44 an
Lungenkrebs.
---
Mr. Bloe: ich
habe ja ein Herz für One-Hit-Wonder, und Mr. Bloe ist außerdem noch ein
besonders eigenwilliges Stück. Ein Instrumental, und dazu noch von vollkommener
Unauffälligkeit. Rhythmus, Klavier und darauf dann eine Mundharmonika. Man
würde sich so denken: maximal B-Seite. Und genau so war es auch: es gibt hier die Originalversion des Stückes der ominösen Gruppe „Wind“, und da ist es
tatsächlich eine B-Seite. „Wind“ war das Projekt von Tony Orlando, der uns
einige Jahre später mit Tie A Yellow Ribbon Round The Old Oak Tree den
Cullinan-Diamanten der Schmachtfetzen schenkte: Er war allerdings an Mr. Bloe überhaupt nicht beteiligt, ebenfalls nicht als
Komponist, und als Sänger auch nicht.
---
Auf Platz 16
neu The Green Manalishi von Fleetwood Mac, ein fantastischen Stück der frühen
Fleetwood Mac (die ganz anders sind als die Rumours-Tusk-Fleetwood Mac).
Ein wirklich
cooles Stück, und musikalisch ein Zwillingsbruder des ebenso großartigen Oh
Well, das wir schon gewürdigt hatten. Es war das letzte Lied, das der damalige
Bandchef Peter Green mit Fleetwood Mac aufgenommen hat. Und Peter Green ist
gerade erst, am 25.7.2020, gestorben. Die Geschichte ist ein wenig ähnlich wie
bei Syd Barrett von Pink Floyd: der psychisch labile Bandchef hat ein
Drogenproblem und verläßt die Gruppe.
Langhans, Obermaier. Quelle: br, DPA bildfunk |
Angeblich soll
es ein einziger LSD-Trip gewesen sein, der Peter Green damals aus der Bahn
warf. Der Bandkollege Jeremy Spencer erinnert sich: „Als wir am Münchner Flughafen auftauchten, sind plötzlich
diese Leute aufgetaucht: Ein sehr schöne Frau in einem schwarzen Samt-Mantel
und ein Typ, der mit seiner Nickelbrille wie John Lennon ausgesehen hat.“
Die sehr schöne Frau war Uschi Obermaier, der Pseudo-Lennon war Rainer
Langhans. Sie fuhren in eine Aussenstelle ihrer Kommune auf einem Schloss in
der Nähe von Eching und musizierten die Nacht lang durch. Und genau da hat sich
Peter Green den schlechten LSD-Trip geschmissen. In seiner Erinnerung später
war es übrigens diese Nacht, in der er es zum ersten und zum letztenmale geschafft
hatte, die Musik schlechthin, die „eigentliche Musik“ zu machen. Es wurde sogar
eine Bandaufnahme gemacht, die man Peter Green in die Hand drückte, aber er war
so durcheinander, dass er das Band später verloren hat. So reiht sich Peter
Green in die Reihe der Suchenden der absoluten Musik (Richard Wagner, Brian
Wilson), die es meistens aus verschiedensten Gründen nicht erreicht haben. Wäre
diese Tonband nicht verloren gegangen, dann hätten wir jetzt gar keinen Streß
mehr mit deutschen Hiphop, mit Helene Fischer undsoweiter, und die Zeit hätte
auch nicht mehr Tanz und Tänzer getrennt. Wir würden Peter Greens Absolute Musik hören und alles würde sich von da an für uns fügen.
Vielleicht liegt ja irgendwo noch ein Tonband herum, beschriftet mit „Schloss Kronwinkl März 1970“. Bitte nicht in die Restmülltonne werfen. Da ist nämlich die absolute Musik drauf!
Rakete der Woche: All Right Now
von Free
Veteran der Woche: Du von Peter
Maffay mit 9 Wochen
Liebling der Woche: The Green
Manalishi von Fleetwood, ganz ganz nahe an der absoluten Musik!