Freitag, 17. Juli 2020

Nr. 14 vom 15.7.1970 oder Die Beatles gingen zum Regenbogen




Und hier die aktuelle Hitparade auf Youtube!

Ich hatte es ja schon befürchtet: jetzt haben wir El Condor Pasa so richtig an der Backe. Ich wage auch gar nicht auf den Anfang August zu gucken, weil ich das nie mache, weil das wäre ja sozusagen Retroprophetie. Ich meine, es kann ja nicht ewig dauern.

Etwas anderes ist viel trauriger: auf Platz 19 schleichen sich die Beatles aus den Top 20. Ich halte es nicht ausgeschlossen, dass ein Titel zu irgendeinem Revival oder anderen traurigen Anlaß noch einmal in die Top 20 kam, aber eigentlich war es das. Von Nr. 1 grüßt der neue Kondor, und Mother Mary verläßt die Party. Man hat den Beatles auch schon damals sehr hintergejammert, aber das war genau so, als würden sich heute – ja, wer eigentlich? das Zeitalter der Bands ist ja mindestens 10 Jahre vorüber – beispielsweise Coldplay trennen, oder die Pet Shop Boys. Schade, ja, aber weiter im Text. Man ahnte damals natürlich nicht im geringsten, dass kaum noch etwas so Großes nachfolgen würde. Vielleicht noch Abba, aber die hatten nicht die richtige street credibility. Michael Jackson? Sagt nichts!


Unabhängig von unserem Beatles-Abschied können wir doch einmal ein wenig in die Literatur schlendern. Hier die SPIEGEL-Bestseller vom 15.7.1970:

Quelle: DER SPIEGEL 29/1970



Simmel auf Platz 1! Das ist allerdings ein bißchen mehr STERN als SPIEGEL. Die Simmel-Bücher, mit ihrem bunten Pinsel-Lettering des Titels, sind mir auch schon als Kind geläufig gewesen. Jimmy und der Regenbogen ist übrigens schon im folgenden Jahr verfilmt worden, und es gibt einen wunderbaren Trailer auf youtube dazu. 

Jimmy war übrigens lange Zeit Nummer 1, mit einer kleinen Unterbrechung von März bis September. Es gibt wirklich nur sehr wenig, das so bundesrepublik ist wie Johannes Mario Simmel. Es muß nicht immer Kaviar sein, Lieb Vaterland magst ruhig sein, Mit den Clowns kamen die Tränen, Der Stoff aus dem die Träume sind usw. usw.

Quelle: amazon/Droemer Knaur



Aber ernst genommen wurde Simmel nie. Genau so wenig wie Udo Jürgens. Simmel war zwar nicht so ganz trashig wie Konsalik, aber natürlich nicht so intellektuell wie Peter Handke, den wir auf Platz 4 finden. Das habe ich übrigens auch einmal gelesen und fand es scheußlich langweilig. Peter Handke und ich sind sowieso noch nie richtig zusammengekommen, obwohl ich ihm öfter einmal eine Chance gegeben habe. Aber ich finde, Peter Handke schreibt eigentlich immer nur für Peter Handke. So ähnlich wie Martin Walser immer nur über Martin Walser schreibt.


Simmel fängt an mit: „Sie wollten unbedingt einen Kopfschuß. Deshalb hatten sie Clairon kommen lassen. Er war Spezialist für Kopfschüsse.“ Handke fängt an: „Dem Monteur Ernst Bloch, der früher ein bekannter Torwart gewesen war, wurde, als er sich am Vormittag zur Arbeit meldete, mitgeteilt, daß er entlassen sei.“ Ok. Simmel will dich als Leser, Handke will sich vorstellen, wie er in einer Lesung sogar gleich zwei kunstvolle Schaltpausen in seinem Satz macht, wurde, mitgeteilt. Es wäre doch auch einfacher gegangen: „Sie wollten unbedingt einen Torschuß“.Ich glaube, Handke müßte Bassist bei Creedence Clearwater Revival werden, sollen.

Papillon habe ich übrigens auch gelesen, sogar zweimal. Das sind ja so die Bücher, die man früher auf Flohmärkten gefunden hat, in der Kiste der letzten Hoffnung, für das Stück 2 Mark. Papillon, Simmel, der Pate. Alles da.

Interessant auch die Sachbücher. Auf Platz 4 das Werk zu „Eltern entdecken die neue Mathematik“ (übrigens auch wieder Droemer Knaur). Der Punkt war nämlich, dass man die Mengenlehre auf die Lehrpläne der Kinder gesetzt hatte und die Eltern uns das nicht erklären konnten, weil sie das nie gelernt hatten. 

Quelle: amazon/Droemer Knaur



Ich weiß auch noch, wie ich als Kind diese Mengenlehre irgendwie blöd fand. Man konnte nichts richtig ausrechnen, und man hatte die ganze Zeit den Eindruck, es sollte einem hier etwas erklärt werden, was ohnehin schon völlig klar war. Mengenlehre war etwas für Handkeleser. Ich war da eher für Simmel. Sie wollten unbedingt einen Kopfrechner.

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Ich habe übrigens festgestellt, jahrzehntelang Howard Carpendales Mädchen von Seite 1 mißverstanden zu haben. Es geht keinesfalls um das Mädchen von der BILD-Zeitung oder von der TV Hören und Sehen, sondern es geht um ein Versandhandelskatalogtitelmädchen, was auch diese Zeilen erklärt: „Oh, schickt mir nicht Gardinen, und keine Nähmaschinen, und keine Filzpantinen.“ Klar, denn er will nur das Mädchen von Seite 1. Das war übrigens sein zweiter Hit in Deutschland. Sein erster Hit war Obladi-Oblada, womit sich wieder alle Kreise schließen.


Rakete der Woche: In The Summertime von Mungo Jerry
Veteran der Woche: genau wie letzte Woche: Let It Be, House of the rising Sun und Bridge over troubled Water
Liebling der Woche: Das schöne Mädchen von Seite 1!