Freitag, 14. Februar 2020

Nr. 4 vom 15.2.1970 oder Grüßen Sie Frau Stirnima






Wie jetzt in jeder Ausgabe: hier erst einmal die Youtube-Version der Charts.

Wir haben gleich sechs Neuzugänge in unseren Charts! Ihr solltet euch auch nicht zu sehr an Liedern gewöhnen und festhalten. Der Status einer Top 20-Single ist vergänglich, auch wenn Roy Black seit vier Wochen festgenagelt auf Platz 1 steht. Jetzt habe ich doch noch einmal das Video angeschaut. Der dazugehörige Film heißt Unser Doktor ist der Beste. Roy Black kommt als neuer Oberarzt in eine Privatklinik, wird erst für den Heizungsinstallateur gehalten, streitet mit Oberschwester Hildegard, verliebt sich in Schwester Loni, kämpft um das Bestehen der Kinderstation, und… ach, ihr könnt es euch ja denken, und genau so passiert es auch.

Interessant, dass es 15 Jahre vor der Schwarzwaldklinik auch hier eine Oberschwester Hildegard auftritt. Während die Schwarzwaldklinik-Hildegard Eva-Maria Bauer aber schon tot ist, erfreut sich die Roy-Black-Hildegard, die Schauspielerin Corinna Genest, noch hoffentlich bester Gesundheit. Ihr Vater ist Rudolf Diels, der erste Chef der Gestapo, der nach ihrer Geburt neu heiratete, und zwar Ilse Göring, welche – und das ist wirklich etwas verwirrend, sowohl die Enkelin als auch die Schwiegertochter von Hermann Görings Vater war.

Wir werden da noch öfter darauf stoßen: im Jahr 1970 ist das Jahr 0 gerade einmal 25 Jahre vergangen, und insofern haben viele Protagonisten auch eine interpretationsfähige Vergangenheit bzw. interessante Familie. Corinna Genest selbst jedenfalls ist Jg. 1938. Ebenfalls zu den Ach-die-ist-das-Schauspielern, deren Namen man nicht kennt, aber dafür ihr Gesicht, zählt die weibliche Heldin Loni, welche von Helga Anders gespielt wurde. Und Helga Anders gehörte gar nicht mal viel später zu den mutigen Frauen auf dem legendären STERN-Titel Wir haben abgetrieben vom 6.6.1971. Schlager, Göring, §218,  alles hier auf engstem Raum miteinander verstaut.
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Neuzugang auf Platz 4: Gruezi wohl Frau Stirnimaa. Durch den Beruf meines Vaters kam ich als Kind kostenlos an abgenudelte Singles aus den Musikboxen in Gaststätten und Tanzlokalen. Dazu hatte mir mein Vater einen steinalten Elac Mirastar Kofferplattenspieler besorgt. Auf diesem Plattenspieler hörte ich dann die Singles, die ich mir nicht ausgesucht hatte, sondern die Zufälle der Playlists städtischer Gasthäuser in meinen Besitz gespült hatten. Und dazu zählte auch Frau Stirnimaa. Ich hielt es für ein Volkslied, und deshalb dürfte ich damals immerhin gewußt haben, was ein Volkslied ist. Immerhin war mir auch klar, dass dieses Volkslied nicht aus unserer Gegend war, sondern irgendwo aus Bayern, wo die Menschen genau so jodelten wie bei Frau Stirnima. Was natürlich nicht stimmt, denn die Minstrels kommen aus Zürich. Frau Stirnima war ihr einziger Hit, von dem sie sich immerhin ein 16-Zimmer-Haus kauften. 1974 lösten sie sich auf.

Frau Stirnimaa (Quelle: discogs)


Tatsächlich ist dieses Lied ebenfalls in einem Film verarbeitet worden: Was ist denn bloß Willi los? mit Heinz Eckhardt. Die Titelsequenz mit Stirnimalied, mit Felix (Ralf Wolter), Willi (Heinz Erhard) und Frau Stirnima (Helen Vita!) ist online verfügbar. 

Die beide radeln dabei durch den nördlichen Stadtteil Grunewald, um dann recht unvermittelt am Telefunken-Hochhaus herauszukommen, das seine Rolle als „Finanzamt-West“ aufrecht und souverän spielt. Das Gebäude kam später zur benachbarten Technischen Universität und ist genau 300m Luftlinie von hier entfernt. Ich schreibe auf geweihtem Boden.

Rakete der Woche: Frau Stirnimaa ( plus 13 Plätze)
Veteran der Woche: Mendocino (14 Wochen)
Liebling der Woche: In der Carnaby Street